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Dehngymnastik, oder Stretching

Jeder weiß es, viel zu wenige gönnen es sich. Stretching tut gut und ist wichtig für alle, die Sport treiben und Muskeln, Sehnen und Bänder belasten. Und doch wird Dehngymnastik vom Gros der Läuferinnen und Läufer erst dann wiederentdeckt, wenn die Verletzung schon da ist.
Ein bisschen Alibidehnen hier, ein wenig demonstratives Strecken & Recken dort:
Schaut her, ich bin ein steifer Bock! Eine schlechte Dehnfähigkeit der Muskulatur gilt unter Läufern nach wie vor als Kavaliersdelikt.
Lieber fünf Wochenkilometer mehr im Trainingsbuch als fünf Minuten Stretching nach jedem Training - obwohl sich mit Stretching vielen Überlastungsbeschwerden vorbeugen lässt. Denn geschmeidige Muskeln sind nun einmal leistungs- und strapazierfähiger als unbewegliche, steife Muskeln.
Stretching, auch statisches Dehnen genannt, dient - abhängig von der Dauer der jeweiligen Übung der Spannungsminderung einzelner oder mehrerer Muskeln bzw. Muskelgruppen, kann aber auch Muskelverkürzungen entgegenwirken. Durch den sanften, lang andauernden Zug beim Stretching werden die Spannungs- und Längenmeßsysteme in Muskel und Sehne außer Funktion gesetzt und können auf diese Weise quasi auf einen neuen Sollwert geeicht werden.
Warum Stretching und wann?
Die Muskulatur kennt und benötigt verschiedene Funktionszustände:
Spannung, wenn Leistung gefordert ist, Entspannung in der Regenerationsphase.
Ausreichende Dehnfähigkeit hingegen ist immer gefordert. Mit den entsprechenden Übungen lässt sich die Muskulatur auf jede Situation vorbereiten.
Wenn sich der Sprinter auf den Start oder der Gewichtheber auf einen Versuch vorbereitet, lässt sich oft beobachten, dass sie wenige Sekunden vorher einen Strecksprung machen oder heftig die Fäuste ballen: Maximale Kraftanforderung benötigt maximale Muskelspannung.
Gänzlich ungeeignet wäre in einer solchen Situation minutenlanges Stretching. Die Muskulatur wäre nicht nur schlaff und unfähig zu explosiver Kraftentfaltung, sie wäre auch verletzungsgefährdet.
Eine vergleichbare Situation - allerdings mit umgekehrten Vorzeichen - ergibt sich nach der Belastung. Jetzt kommt es darauf an, den Muskeltonus zu vermindern, um die regenerativen Prozesse zu fördern: vermehrte Durchblutung, Abtransport von Stoffwechselzwischenprodukten oder -endprodukten (Laktat/Milchsäure), Auffüllen der Energiespeicher (Glykogen).
Vor dem Training:
Vor Dauerläufen braucht man im Normalfall weder ein Aufwärmprogramm noch eine spezielle Gymnastik. Ruhiges Laufen ist ja nichts anderes als Aufwärmen. Nur sollte der Lauf auch wirklich ruhig beginnen. Vor schnellen Dauerläufen, Tempodauerläufen oder einem Intervalltraining sollte man sich ähnlich aufwärmen wie vor einem Wettkampf.
Nach dem Training:
Den Lauf langsam ausklingen zu lassen ist der erste Schritt zur Regeneration. Endet der Dauerlauf mit einem Endspurt, sollte ein Abwärmen (Cooldown) angefügt werden, z.B. 5 bis 10 Minuten sehr ruhiges Laufen, eventuell auch mit Gehpausen. Danach ist die beste Gelegenheit fürs Stretching - der Organismus ist aufgewärmt, aber nicht ausgepumpt.
Vor dem Wettkampf:
Es gibt eine Art Regel: Je länger die Wettkampfdistanz, desto kürzer die Aufwärmphase. Nachdem die Muskulatur auf Betriebstemperatur gebracht worden ist (z.B. in Form von 10 bis 15 Minuten sehr ruhigem Laufen), sollte die Muskelspannung auf die bevorstehende Wettkampfbelastung eingestellt werden. Dazu eignen sich am besten dynamische Gymnastikübungen, mit deren Hilfe die Dehnungs- und Spannungsrezeptoren aktiviert werden.
Stretching ist in dieser Phase nicht sinnvoll.
Als unmittelbare Wettkampfvorbereitung dienen in den letzten 10 Minuten vor dem Start einige Steigerungen, die sich am Wettkampftempo orientieren sollten.
Ein Sprint im Maximaltempo vor einem Marathon ist also Unsinn.
Nach dem Wettkampf:
Wenn möglich, sollte nach dem Wettkampf ein Abwärmen durchgeführt werden, möglichst 15 bis 30 Minuten lang. Abwärmen ist ein aktiver Prozess (und nicht etwa Herumplanschen im Whirlpool). Auslaufen, Ausschwimmen, Ausfahren auf dem Rad sind als Cooldown- Übungen ideal. Gegebenenfalls genügt aber auch ein längerer Spaziergang, wenn etwa nach einem Marathonlauf die Beine fürs Auslaufen zu schwer sind. Danach sollte die Muskulatur vorsichtig (!) gedehnt werden.
Dehnen/Stretching wie und was:
Für die normale Dehngymnastik nach dem Training genügt zur Tonusminderung der Muskulatur eine Dauer von ca. 20 Sekunden pro Übung und Körperhälfte.
Sollen Muskelverkürzungen reduziert werden, sind längere Dehnungsreize von einer bis zu mehreren Minuten erforderlich.
Muskuläre Dehnfähigkeit ist eine individuelle Eigenschaft, abhängig von Faktoren wie Geschlecht, Veranlagung, Alter, Trainingszustand etc. Regelmäßig sollten entweder deutlich verkürzte oder durch Trainingsbesonderheiten übermäßig belastete Muskeln gedehnt werden (also beispielsweise die hintere Oberschenkelmuskulatur oder die Kniestreckmuskulatur).
Verkürzungen lassen sich beim Physiotherapeuten oder Sportmediziner durch Muskelfunktionstests ermitteln. Danach wird ein individuelles Basisprogramm zusammengestellt, das die den wesentlichen Stretchingübungen enthält.
Drei Stretchingarten
Statisches Dehnen
Der eigentliche Kern des Dehnungsprogramms: betont langsames und kontinuierliches Dehnen, ohne zu wippen oder nachzufedern.
Intermittierendes Dehnen
Dynamisches Dehnen mit wiederholtem Anspannen und Entspannen einzelner Muskeln; bei der Ausführung sollte auf weiche, sanfte Bewegungen geachtet werden.
Postisometrisches Dehnen
Dehnen nach Druck gegen Widerstand; diese Dehnweise ist sehr effektiv, aber auch nicht ungefährlich, deshalb ist sie sehr vorsichtig anzuwenden.
Fünf Stretching-Regeln
1. Vor der Belastung kurze Dehnphasen (5 bis 10 Sekunden nach dem Aufwärmen).
2. Nach der Belastung längere Dehnphasen (20 bis 30 Sekunden).
3. Langsam in die Spannung hineindehnen.
4. Keine ruckartigen Bewegungen.
5. Nach einem Marathon vorsichtig dehnen, keine maximale Dehnung

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